Zigarettenhersteller mischen Zusatzstoffe in den Tabak, um den „Kick“ von Nikotin zu steigern.
London Internationale Tabakfirmen haben einem Expertenbericht zufolge versucht, die Nikotinsucht von Rauchern mit chemischen Zusatzstoffen zu steigern. Das gehe aus mehr als 60 firmeninternen Dokumenten hervor, die bei den jüngsten Verfahren gegen die Tabakindustrie in den USA zum Vorschein gekommen seien, hieß es in einem Bericht des britischen Fonds für die Krebsforschung (ICRF), der Anti-Raucher-Gruppe ASH und des US-Bundesstaats Massachusetts.
In der Europäischen Union (EU) werden mehr als 600 Zusatzstoffe verwendet, die eigentlich unnötig sind, so das Ergebnis. Diese Substanzen würden unter anderem eingesetzt, um den Geschmack des Rauchs zu verstärken, bestimmte Geruchsmerkmale zu verschleiern und zugleich den „Kick“ vom Nikotin zu steigern.
Clive Bates, Chef der Anti-Raucher-Gruppe ASH, bezeichnet das Vorgehen als Skandal: Einerseits veränderten die Produzenten ihre Zigaretten, um sie noch suchtfördernder zu machen. Andererseits gäben sie vor, Nikotin mache überhaupt nicht abhängig. Wie aus Firmenunterlagen zu entnehmen sei, hätten die Hersteller der Tabakwaren mit den Zusatzstoffen kleine Hirnveränderungen bei den Rauchern erzeugen wollen.
So erörtert ein beigefügtes Dokument des Zigarettenherstellers British American Tobacco aus dem Jahr 1965 die Möglichkeit, mit dem Zusatzstoff Ammoniak die Nikotinsucht zu steigern. In dem Expertenbericht wird außerdem die Vermutung aufgestellt, dass beispielsweise mit Hilfe von Kakao eine künstliche Erweiterung der Luftwege erzeugt werden sollte, damit der Zigarettenrauch tiefer in die Lungen gelangt.
Schon in der Vergangenheit waren die Tabakhersteller in Verdacht geraten, Tabaksorten mit Hilfe der Gentechnik Nikotin verstärken zu wollen. Ziel war auch hier ein größerer Umsatz. Auf Nachfrage waren diese Behauptungen der Anti-Raucher-Vereinigungen von der Zigarettenindustrie jedoch empört zurückgewiesen worden. Und dies, obwohl Tabakgegner ein in Brasilien registriertes Patent auf genetisch nikotinverstärkte Tabaksorten aufgespürt hatten das sehr aufwendig von Portugal aus beantragt worden war.
Abgesprungene Manager der Tabakproduzenten wie Jeffrey Wigand (ehemals beim amerikanischen Zigarettengiganten Brown & Williamson), die diesen Verdacht bestätigten, wurden als rachsüchtige Psychopathen dargestellt. Wigand hatte ausgesagt, dass derart nikotinverstärkter Tabak in Marken wie Raleigh und perfiderweise auch Raleigh Light bereits im Handel sei.
Tipp: Informationen über das Rauchen finden Sie auch im Infocenter Rauchen-aufhören.
[Quelle: DIE WELT online vom 15.07.1999]
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